Kafka hat Leben und Schreiben als Einheit wahrgenommen. Seine literarische Arbeit stand unter dem Gesetz von Zyklen, bei denen sich ekstatische Konzentration und Zerstreuung, Gelingen und Scheitern abwechselten. Sein Ideal blieb das automatische Schreiben, das nicht planbar war und 'als Form des Gebets' höchste geistige Versenkung einschloss. Erfolgreich konnte die literarische Arbeit nur sein, wenn Kafka sich konsequent von der äußeren Wirklichkeit abschloss und, bevorzugt nachts, in einer gleichermaßen religiösen und erotisch erlebten Intensität zu äußerster Konzentration fand. Der Vortrag beschreibt Kafkas Arbeitsprozesse, sein Glück und Unglück beim Schreiben, die existentielle Dimension seiner Texte und die damit verbundene Konsequenz seines Lebensentwurfs, der allein auf die literarische Produktion gerichtet war. Im weiterführenden Gespräch wird sich Gelegenheit bieten, auch Kafkas Selbstbild als ewiger Sohn, als Stadtobachter und Reisender, als Flaneur und Liebender genauer auszuleuchten.


Peter-André Alt ist Professor für Neuere deutsche Literaturwissenschaft, zunächst an den Universitäten Bochum (1995-2002) und Würzburg (2002-2005), seit 2005 an der Freien Universität Berlin. Sein wissenschaftliches Œuvre umfasst 21 Monografien und über 100 Aufsätze zur Literatur der Frühen Neuzeit, der Weimarer Klassik und der Moderne, zur Poetik und Ästhetik, zur Beziehung von Literatur und Wissensgeschichte, zu Drama und Theater des 17. und 18. Jahrhunderts. Auch einem breiteren Publikum bekannt wurde er durch seine im Verlag C.H.Beck (München) veröffentlichten Biographien zu Friedrich Schiller (2000), Franz Kafka (2005) und Sigmund Freud (2016). 2005 erhielt er den Schiller-Preis der Stadt Marbach, 2009 das Opus-Magnum-Stipendium der Volkswagen- und Thyssen-Stiftung. 2010-2018 war er Präsident der Freien Universität, von 2012-2020 Präsident der Deutschen Schillergesellschaft. 2018-2023 führte er die Hochschulrektorenkonferenz in zwei Amtszeiten als Präsident. Seit dem 1. April 2023 ist Alt Sprecher der Geschäftsführung der Wübben-Stiftung Wissenschaft in Berlin.