Spielplan
OUR SCREENS KURZFILMROLLE
MY OWN LANDSCAPES
Gleich einem virtuellem Reenactment setzt sich ein ehemaliger Designer für Militärvideospiele in „My Own Landscapes“ nach seiner Rückkehr aus dem Krieg mit den eigenen traumatischen Erfahrungen als Soldat auseinander. Dazu nutzt er als Bewältigungsstrategie das, was ihm dazu verholfen hatte einen Vertrag mit der Armee zu schließen: Videospiele.
Frankreich 2020 von Antoine Chapon, 18 min, Originalfassung (eng.)
SHE FALLS FOR AGES
Die Kahnawakeronon-Multimediakünstlerin Skawennati ist die Erschafferin des Machinimas „She Falls for Ages“, das die Schöpfungsgeschichte der Haudenosaunee (Irokesen) im Spiel-Setting des Metaversums Second Life erzählt. Dort lernen wir eine junge Mutter mit ihren heranwachsenden Zwillingskindern kennen, welche magische Kräfte besitzen. Vor unseren Augen entfaltet sich die Erzählung um Sky Woman und ihren Fall in eine neue Welt. In der Spiel-Engine treffen altes, indigenes Wissen mit Science-Fiction aufeinander. Eine tiefe Vergangenheit wird mit einer fernen Zukunft in Verbindung gesetzt.
Kanada 2017 von Skawennati, 21 min, Originalfassung (eng.)
PARALLEL I
„Parallel I“ ist der erste Teil des Essay-Zyklus einer kleinen Historie der Computergrafik. Wir blättern durch das virtuelle Geschichtsbuch zur Entstehung der ersten Bäume und Wolken und werden nach Farockischer Manier ruhig und analytisch-poetisch auf eine Split Screen-Reise mitgenommen und eingeführt – ins inhärente Regelwerk computeranimierter Welten, wie sie seit den 1980er Jahren existieren.
Deutschland 2012 von Harun Farocki, 15 min, Originalfassung (eng.)
BACKFLIP
Nikita Diakur möchte einen Backflip lernen. Nach schmerzhaften Fehlversuchen trainiert er nun im Virtuellen seinen Avatar beziehungsweise dessen künstliche Intelligenz. Ganz im Erbe der Machinimas zeigt „Backflip“ Liveaufnahmen der unaufhörlichen Trainingsversuche, basierend auf den Methoden maschinellen Lernens aus der Forschungsarbeit „Deep Mimic“. Zwischen dem Begehren nach Kontrolle, Fortschritt und Erfolg steckt sowohl Angst als auch Humor, aus Fehlern zu lernen und mit ihnen leben zu müssen.
Deutschland, Frankreich 2022 von Nikita Diakur, 12 min, Originalfassung (eng.) mit. deu. Untertiteln
HARDLY WORKING
Aneignung, Aufdeckung und Umwidmung eines politischen Apparats. Das pseudo-marxistische Guerillakollektiv Total Refusal arbeitet sich in ihren Medienkunst-Arbeiten an den Mainstream-Videospielen unserer Zeit ab. Sie kreieren neue Blickrichtungen anhand ethnografischer Beobachtungen und kapitalistischer Einordnungen in Videospielen, wie wir auch im Machinima „Hardly Working“ erleben. Dort werden NPCs (non-playable characters / nicht spielbare Figuren) – eine Wäscherin, ein Stallknecht, eine Straßenkehrerin und ein Handwerker – ins Zentrum des Films gerückt und anhand ihres Verhaltens Reflexionen über Arbeit und Sein aufgewirbelt.
Österreich 2022 von Total Refusal, 21 min, Originalfassung (eng.)
THE SUNSET SPECIAL 2
In der experimentellen Mixed-Digital-Media-Kakophonie „The Sunset Special 2“ folgen wir hohlen Schablonen von Menschendesigns, die ihr heiles Familienglück auf einer exklusiven Luxuskreuzfahrt suchen. Auf hyperreale Hochglanz-Interieurs folgen Pixelgewitter, während die immergleichen Instagrampostings und Stockfotos durchs Bild glitchen. Der ins Psychedelische abrutschende Videospiel-Fiebertraum wird zu einem Fest der Fehler und Störungen, die den eingefahrenen Normen, Oberflächlichkeiten und Privilegiertheiten entgegenrauschen.
Deutschland 2024 von Nicolas Gebbe, 19 min, Originalfassung (eng.) mit. deu. Untertiteln
OUR SCREENS – Videospielwelten im Film
Irgendwo hinter den Bildschirmen liegt ein Land, eine Insel, eine Illusion. Deren Bewohner:innen sind Gamer:innen, Avatare, Überlebende, Bewaffnete. In „Our Screens“ zeigen wir an zwei Tagen eine Zusammenstellung aus einem Kurzfilmprogramm und einem Langfilm, die sich Videospielwelten als Ausgangs- und Angelpunkt vornehmen und sie auseinandernehmen, um neue Kammerspiele für Filmszenarien zu entwerfen. Mit unserer Filmauswahl wollen wir die Stellen ausloten, an denen sich Gameplay und Filmkunst überschneiden, wo sie sich befruchten, zersetzen oder abstoßen.
In einem Kurzfilmprogramm lassen wir sechs Filme aus den Jahren 2012 bis 2024 aufeinandertreffen, die – inspiriert durch die Vielfalt der Videospieltechnologie – ein Spektrum von Medienkunst-Experimenten über Essayfilmen hin zu Machinimas zeigen. Die Genrebezeichnung Machinima ist ein Kofferwort aus machine (engl. „Maschine“) und cinema (engl. „Kino“). Dabei handelt es sich um eine Filmtechnik, bei der Echtzeitaufnahmen in Videospielen zum Inhalt für Filmproduktionen werden. Machinimas haben ihren Ursprung in den 90er Jahren und fungieren bis heute als unerschöpfliche Spielwiese, um die digitalen Welten, in die wir immer weiter vordringen, zu reflektieren und zu erforschen. Der Langfilm „Knit’s Island“ von 2023 folgt dabei ganz dem Prinzip Machinima. Im ingame-Dokumentarfilm eröffnet sich uns die Langzeitbeobachtung eines Filmemachertrios im Survival-Online-Spiel DayZ. Als Avatare führen sie dort Gespräche mit Gamer:innen und versuchen so zu den Menschen hinter den Spielfiguren durchzudringen.
Filmschaffende bedienen sich am virtuellen Blumenstrauß der Möglichkeiten, die sie in Videospielwelten vorfinden und nehmen dabei neue Rollen ein. Sie drehen Filme während des Gameplays, sind Teil des Gameplays oder machen uns zu Akteur:innen des Gameplays. Sie schöpfen aus den Ressourcen der Spieleindustrie, die ihnen als Found Footage, Werkzeugkiste und Materialgrube vorliegen. In ihren filmischen Neukreationen dekonstruieren sie Open Worlds, upcyclen Storylines, kreieren neue Filmprotagonist:innen. Sie greifen sich Bugs und reiten auf Glitches. Der Egoshooter erscheint als POV-Shot. Avatare werden im virtuellen Puppenspiel neu simuliert und scheinen in dem Moment zu entstehen und wieder zu zerbrechen, in dem die Kamera, die Bildschirmaufnahme läuft und wir den Film sehen. So bauen und testen die Filmemacher:innen digitale Zukunftsmodelle aus aktuellen Wünschen, Fantasien und Ängsten unserer Gesellschaft. Acting out video games. Restaging virtuality.