Spielplan
Franz Kafka und der Film
Franz Kafkas Geschichten leben aus den grotesken Bildfolgen und Übertreibungen des frühen Kinos, die hier literarisch verdichtet wiederkehren: im Rhythmus des großstädtischen Verkehrs, in Verfolgungsjagden und Doppelgänger-Szenen, in Verbrechen und Pathos, in den Gebärden der Angst und den Schattenspielen des Schreckens. Peter-André Alts Vortrag bietet eine Vielzahl überraschender Entdeckungen, die Kafkas Texte als Muster filmischen Erzählens in völlig neues Licht rücken.
Dass Kafka ein passionierter Kinogänger war, dokumentieren seine Briefe und Tagebücher. Bisher hat man jedoch übersehen, wie stark auch seine literarische Arbeit durch die Wahrnehmungs- und Darstellungsformen des Films bestimmt wurde. Der Vortrag zeigt verschiedene Formen von Kafkas kinematographischem Erzählen, die in den Techniken der Bildverknüpfung, der Verwendung konkreter Motive, den Sehperspektiven, der Körpersprache der Figuren und den dramaturgischen Mustern seiner Geschichten zutage treten. So erschließt sich ein verblüffendes Panorama literarischer Muster, in denen Kafka die Bewegungsfolgen und Kameraeinstellungen, die Stoffe und die Mythen des frühen Kinos adaptiert. Die Studie präsentiert zahlreiche Funde und Beobachtungen, die den großen Klassiker der Moderne besser als zuvor verständlich machen.
Anschließend ist der Film „Der Andere“ (Deutschland 1913 von Max Mack, 77 min, dt. Zwischentitel, viragiert) zu erleben, den schon Franz Kafka im Kino gesehen hatte.
Der Rechtsanwalt Dr. Hallers vertritt Straftäter mit Persönlichkeitsstörungen. Doch nach einem Sturz leidet er selbst unter einer Bewusstseinsveränderung und verwandelt sich in den Anderen. Sein Alter Ego durchstreift nun die Berliner Halbwelt…
DER ANDERE von Max Mack wurde als erster deutscher Autorenfilm bezeichnet. Auch verhalf Mack mit seinem Werk dem jungen Medium des Films zu mehr Ansehen in der kulturell anspruchsvollen Mittelschicht. Neben dem Theaterdramaturgen Paul Lindau konnte Mack den renommierten Bühnendarsteller Albert Bassermann für die Hauptrolle gewinnen.
Ein Film aus dem Bestand der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung (www.murnau-stiftung.de) in Wiesbaden.